Die christliche und monastische Tradition kennt viele markante Männer und Frauen, die Gott suchten und seine Spuren fanden. Sie fanden genug, um stets leidenschaftlich weiter zu suchen auf dem Weg in Gottes grenzenlose Weite. Mit ihrer brennenden Sehnsucht inspirieren diese Menschen auch heute moderne Gottsucher.
Auf dieser Seite finden Sie einige von diesen Gottsuchern.
Ab dem 3. Jahrhundert distanzieren sich viele Christen vom weltlichen Lebensstil. Sie ‘flüchten’ in die ägyptische Wüste, wo sie ein betendes und verborgenes Leben führen. In dieser ‚nackten‘ Existenzweise suchen sie nach ständiger Verbundenheit mit Gott. Dafür streiten sie gegen ihre Leidenschaften sowie gegen die Dämonen.
Abbas Antonius war einer der ersten, die in der Wüste Gottes Gegenwart entdeckten. Am Ende seines Lebens durchstrahlte ihn Gottes Licht. Er wird als Vater der Mönche verehrt.
Man kann sie sehen, wie sie über die Wüste verstreut leben. Geduldig warten sie auf Christus, genauso wie echte Söhne auf ihren Vater warten oder gute Diener auf ihren Herrn. Sie kennen keine Sorge und kümmern sich weder um Kleidung noch um Speise. Vielmehr warten sie Hymnen singend einzig auf die Zurückkehr von Christus. Wenn jemandem von ihnen etwas Lebensnotwendiges fehlt, sucht er keine Stadt und kein Dorf, keinen Freund oder Verwandten oder gar einen Diener auf, sondern er streckt seine Hände flehend zu Gott empor, von dem er alles Notwendige auf wunderbare Weise empfängt. (…) Auch durch sie selbst wirkt Gott Wunder. Für viele ist es deutlich, dass durch ihr Gebet die Welt bewahrt bleibt und die Menschheit fortbesteht…
(aus: Die Geschichte der ägyptischen Mönche)
Machen wir, die berufen sind, uns auf und fallen wir niemandem zur Last. Denn der Herr führt jeden, der nach der Tugend strebt, ans Ziel. Der Apostel Paulus gibt uns mit seinem Leben ein Beispiel. Er hat gesagt: Ich sterbe jeden Tag. Wenn wir wüssten, dass wir heute sterben würden, würden wir bestimmt keine Sünden mehr begehen. So müssen wir dieses Wort des Apostels auslegen. Wir sollten uns jeden Morgen vorstellen, dass wir den Abend nicht mehr erleben. Und am Abend sollten wir uns vorstellen, dass wir nicht mehr den folgenden Morgen sehen. Wenn wir auf diese Weise wachsam sind und mit diesem Gedanken leben, wird uns keine Sünde mehr in den Bann ziehen und wird kein Trieb mehr unser Leben beherrschen. Pflege keine bösen Gedanken gegen deinen Nächsten und vergib dem, der dir Böses getan hat!
Benedikt wurde um 480 in Nursia (Italien) geboren. Er studierte in Rom Literatur. Dieses Leben erfüllte ihn jedoch innerlich nicht; er ließ alles hinter sich und zog sich in Subiaco in eine Grotte zurück. Dort lebte er drei Jahre lang als Eremit, einsam und in Stille. Später gründete er auf dem Monte Cassino eine eigene Mönchsgemeinschaft. Er wird der Vater des westlichen Mönchtums genannt. Ihm wird auch die berühmte Mönchsregel zugeschrieben, die seinen Namen trägt.
… Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: “Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen” (Röm 13,11). Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht, und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft. “Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!” Und wiederum: “Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist der Gemeinden sagt!” Und was sagt er? “Kommt ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.” Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder: “Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?” Wenn du hörst und antwortest : “Ich”, dann sagt Gott zu dir: Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tue das Gute! Such Frieden und jage ihm nach! Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, “Ich bin da”. Liebe Brüder, was kann beglückender für uns sein als dieses Wort des Herrn, der uns einlädt? Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens. Gürten wir uns also mit Glauben und Treue im Guten, und gehen wir unter der Führung des Evangeliums seine Wege, damit wir ihn schauen dürfen, der uns in sein Reich gerufen hat.
(Regel des hl. Benedikt, Prolog, Verse 8-21)
… Wir müssen unser Herz und unseren Leib zum Kampf rüsten, um den göttlichen Weisungen gehorchen zu können. Für alles, was uns von Natur aus kaum möglich ist, sollen wir die Gnade und Hilfe des Herrn erbitten. Wir wollen den Strafen der Hölle entfliehen und zum unvergänglichen Leben gelangen. Noch ist Zeit, noch sind wir in diesem Leib, noch lässt das Licht des Lebens uns Zeit, all das zu erfüllen. Jetzt müssen wir laufen und tun, was uns für die Ewigkeit nützt. Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. Bei dieser Gründung hoffen wir, nichts Hartes und nichts Schweres festzulegen. Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren, dann lass dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. Darum wollen wir uns seiner Unterweisung niemals entziehen und in seiner Lehre im Kloster ausharren bis zum Tod. Wenn wir so in Geduld an den Leiden Christi Anteil haben, dann dürfen wir auch mit ihm sein Reich erben.
(Regel des hl. Benedikt, Prolog, Verse 44-50)
Bernhard, geboren im Jahr 1090 im Gebiet von Dijon, wird 22-jährig in Cîteaux Mönch (die Mönche von Cîteaux lebten streng nach der Regel des heiligen Benedikt). Bereits im Alter von 25 Jahren wird er Abt von Clairvaux, einem Tochterhaus on Cîteaux. Unter seinem Einfluss und seiner Inspiration blüht im 12. Jahrhundert das Zisterzienserleben. Der Orden von Cîteaux zählt bei seinem Tod hunderte von Klöstern.
Er schrieb zahlreiche Traktate, worunter sein Meisterwerk: ein Kommentar auf das ‚Hohelied der Liebe‘. Christus, der vom Beginn der Schöpfung an das ‚Wort Gottes‘ ist, steht in seiner mystischen Theologie zentral. Das ‘Wort‘ wurde Mensch, um sich mit den Menschen zu verbinden und sie zum Vater zurückzuführen.
GOTT SUCHEN
“Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine Seele liebt” (Hoheslied 3,1)
Gott suchen ist ein großes Gut. Ich denke, dass die Seele kein höheres Verlangen haben kann. Dieses Verlangen ist die erste von allen guten Gaben Gottes und auch die letzte, wenn wir nach Gott heimkehren. Gott suchen zählt zu keiner Tugend und ist auch von keiner Tugend abhängig; denn keine Tugend geht der Gottsuche voraus. Wie sollte die Gottsuche einer Tugend untergeordnet sein, da sie doch jede Tugend zur Vollkommenheit führt? Denn welche Tugend könnte man jemandem zuschreiben, der Gott nicht sucht? Oder sollte man die Gottsuche begrenzen können, obwohl doch der Psalmist sagt: “Sucht sein Angesicht allezeit“ (Psalm 105,4)? Ich denke sogar, dass man nicht einmal aufhören wird, Gott zu suchen, wenn man ihn gefunden hat. Denn man sucht Gott mit ‘heißem’ Verlangen, und wenn man Ihn gefunden hat, wächst diese Verlangen weiter, so dass die Gottsuche niemals an ein Ende kommt. Könnte die vollkommene Freude dieses Verlangen beenden? Nein, diese ist vielmehr das Öl, welches die Flamme des Verlangens nährt! So ist es in der Tat! Die Freude kann vollkommen werden; doch kommt an das Verlangen niemals ein Ende, und darum auch nicht ans Suchen… Die Seele sucht das ‘Wort’, weil sie zu allererst vom ‘Wort’ gesucht wird.
(84. Predigt zum Hohenlied)
NACH DIR BLEIBE ICH SUCHEN
“Ich suchte, den meine Seele liebt“.
Ihn suchen; dazu wirst du eingeladen von der Güte des Herrn, der dich zuerst gesucht und geliebt hat. Mit einem zweifachen Segen ist er dir zuvorgekommen: mit Lieben und Suchen. Das Suchen war Frucht und Beweis Seiner Liebe. Er hat dich geliebt, damit du nicht denkst, dass Er dich sucht, um dich zu bestrafen. Er hat dich gesucht, damit du dich nicht beklagst, dass du nie wirklich geliebt wurdest. Diese zweifache Erfahrung seiner freundlichen Güte gab Dir Mut und vertrieb deine Angst. Sie hat dich angespornt, dass du dich zu Ihm kehrst mit aufrichtiger Gegenliebe. Daraus entspross der feurige Eifer, Ihn zu suchen und Ihn mit deinem ganzen Wesen zu lieben. Denn es ist sicher, dass du Ihn nicht suchen könntest, wenn Er dich nicht zuerst gesucht hätte. Und weil Er dich gesucht hat, kannst du nicht anders als Ihn suchen… Er hat mich nicht nur gesucht, der ich sozusagen eine Leiche war, sondern er hat mich darüber hinaus zur Gegenliebe erweckt und mir auf diese Weise versichert, dass Er mich suchte! Sollte ich Ihn nicht suchen, Ihn, den ich nun lieben kann?
Sollte er zornig werden, da ich Ihn nun suche, obwohl Er keinerlei Zorn zeigte, als ich Ihn abwies?
(84. Predigt zum Hohenlied)
Zisterziensermystikerin (Tienen [Flandern], °1200), Priorin der Abtei U.L.F. von Nazareth zu Lier. Autorin der ‘Sieben Weisen der Minne (= Liebe)’, eines gut durchdachten kleinen Traktates.
Hier zwei Ausschnitte, aus der ‘ersten Weise’ und der ‘vierten Weise’. Es lohnt sich, dies Büchlein aufmerksam zu lesen.
SEHNSUCHT
“Die erste Weise ist eine Sehnsucht, die ihre Kraft aus der Liebe schöpft. Diese Sehnsucht muss lange Zeit in einem Herzen wohnen, bevor der Widerstand einigermaßen überwunden ist, und sie muss mit Kraft und Überlegung voranschreiten und tapfer in diesem Zustand zunehmen. Diese Weise ist eine Sehnsucht, die zweifellos aus der Liebe geboren wird, nämlich aus der Absicht einer guten Seele, unserem Herrn treu zu dienen, ihn aus tiefstem Herzen zu lieben und ihm nachzufolgen. Eine solche Seele wird nach innen gezogen durch die Sehnsucht, damit sie die Reinheit, die Freiheit und den Adel empfängt, so wie ihr Schöpfer es ursprünglich beabsichtigte nach Seinem eigenen Bild und Gleichnis. In diesem Zustand möchte die Seele verbleiben und von ihrem Schöpfer umsorgt werden. So möchte sie ihr ganzes Leben verbringen. Die Seele möchte hieran mitarbeiten, damit sie noch weiter aufsteigen und wachsen kann zu einem noch innigeren Zustand von Liebe, in dem sie noch mehr von Gott erfährt, so dass sie letztendlich ganz aufblühen kann, so wie es Gott bei ihrer Erschaffung beabsichtigt hatte.”
MYSTISCHE ERFAHRUNG
“Manchmal geschieht es, dass die Minne (= Liebe) auf eine sehr schöne Weise in der Seele geboren wird und freudevoll aufersteht, und dass sie im Herzen zu leben beginnt, ohne dass der Mensch dabei aktiv mithelfen muss. Das Herz wird dann so zärtlich von der Liebe berührt, von der Sehnsucht nach Liebe nach innen gezogen, so leidenschaftlich von der Liebe ergriffen, so heftig von der Liebe überwältigt und so liebevoll von der Liebe umarmt, dass die Seele ganz von der Liebe besiegt wird.
In diesem Zustand erlebt die Seele eine große göttliche Nähe, eine intuitive Klarheit, einen wunderbaren Reichtum, eine edle Freiheit, eine überbordende Süßigkeit, ein intimes Umschlossensein von der Macht der Liebe und einen nicht enden wollenden vollen Genuss. Sie erfährt, dass all ihre Sinne in der Liebe vereint sind, dass ihr eigener Wille Liebe geworden ist und dass sie so tief in die Liebe versunken ist und vom Abgrund der Liebe verschlungen wird, dass sie selbst nur noch lautere Liebe sein kann.”
Geboren in einer frommen Familie mit 12 Kindern, trat sie mit zwanzig Jahren bei den Karmelitinnen in Avila ein, wo sie während einer schweren Krankheit ihr Leben vor sich sah: “Ich sah deutlich, dass ich nicht lebte, sondern ich kämpfte mit dem Schatten des Todes”. Nach ihrer unerklärlichen Genesung kannte sie eine Zeit geistlicher Trockenheit, auf die eine Zeit außerordentlicher Gnaden folgte. Die große Theresa ist eine der berühmtesten Mystikerinnen der katholischen Kirche. Ihre Erfahrungen und ihre Lehre über das Gebet bleiben bis heute eine Quelle der Inspiration. Sie reformierte gemeinsam mit Johannes vom Kreuz den Karmeliterorden.
Ich denke, dass inneres Gebet nichts andere ist, als der vertrauliche Umgang mit einem Freund, von dem wir wissen, dass er uns liebt.
Gott rief mich; doch ich folgte der Welt. Ich fand die Dinge Gottes schön; aber ich war durch die weltlichen Dinge gebunden. Wie konnte ich daran so lange leiden, ohne dass ich das daran etwas veränderte? Bei einem derartigen inneren Streit ist es ein großer Nachteil, wenn man ganz allein steht. Ich empfehle darum Menschen, die den Weg des Gebetes gehen wollen, die Freundschaft anderer Menschen zu suchen, die ebenfalls Freude am Gebet haben. Es ist gut, wenn man gemeinsam auf diesem Weg voranschreitet.
Der Herr will Taten.
Wenn du deinen Nächsten liebst, dann versichere ich dir,
dass du die Vereinigung mit Gott erreichen wirst.
Wenn du feststellst, dass du deinen Nächsten nicht liebhast, dann glaube mir, dass du die Vereinigung mit Gott nicht erreichen wirst, selbst wenn Du fromm bist und meinst, im Gebet Tröstungen oder selbst kleine Ekstasen zu erleben.
Bitte daher den Herrn, dass er dir vollkommene Nächstenliebe schenke.
Das Fundament der Nächstenliebe bleibt die vollkommene Gabe deiner selbst. Gott kann sich nicht ganz schenken, wenn sich die betreffende Person nicht selbst total weggeschenkt hat.
Die Liebe ist ein Pfeil, der auf den Willen zielt.
Wenn dieser Pfeil mit voller Kraft,
frei von allen irdischen Sorgen fliegt
und allein auf Gott ausgerichtet ist, dann wird er Ihn sicherlich treffen.
Und Er, der die Liebe selbst ist,
wird ihn zurückschießen
verbunden mit den größten Gnaden.
Nichts soll dich betrüben,
nichts dich erschrecken.
Alles verflüchtigt.
Nicht wandelt sich Gott.
Geduld allein kann alles erlangen.
Wer Gott nicht loslässt,
kennt kein Entbehren.
Gott nur genügt.
Starez Serafim ist einer der meist verehrten und geliebten Heiligen in Russland. Sein Leben und seine Lehre inspirieren noch stets viele Gottsucher über die Grenzen der Kirchen und der Kulturen hinaus. Auch im Westen gilt er als ein großer Mystiker. Er hatte eine große Verehrung für die Muttergottes und eine besondere Sensibilität für das Wirken des Heiligen Geistes. Ihm gilt als Ziel des christlichen Lebens, den Heiligen Geist zu erwerben.
GOTT
Gott ist ein Feuer, welches das Herz und das Innere des Menschen entflammt. Wenn wir in unserem Herzen die Kälte sehen, die vom Teufel kommt – denn der Teufel ist kalt –, lassen wir dann unsere Zuflucht beim Herrn suchen. Dann wird der Herr kommen, um unser Herz zu erwärmen mit einer vollkommenen Liebe – nicht allein mit einer Liebe zu Ihm, sondern auch mit einer Liebe zum Nächsten. Und die teuflische Kälte wird vor Seinem Angesicht flüchten. Dort, wo Gott ist, gibt es nichts Böses… Gott zeigt dir Seine Liebe zu den Menschen nicht nur, wenn wir Gutes tun, sondern auch, wenn wir Ihn beleidigen und dadurch Seinen Zorn verdienen… Sage nicht, dass Gott gerecht ist, lehrt uns Isaak der Syrer… David nennt Ihn ‘gerecht’; aber Sein Sohn hat uns gezeigt, dass Er gut und barmherzig ist. Wo ist Seine Gerechtigkeit? Wir waren Sünder und Christus ist für uns gestorben (Homilie 90).
DIE HOFFNUNG
Alle, die unerschütterlich auf Gott hoffen, schauen zu Ihm auf und werden von der Klarheit des ewigen Lichtes erleuchtet. Wenn der Mensch aus Liebe zu Gott seine geschäftlichen Sachen vernachlässigt, um Gutes zu tun, weil er weiß, das Gott ihn nicht verlassen wird, dann ist seine Hoffnung weise und aufrichtig. Aber wenn sich der Mensch zu sehr von seinen geschäftlichen Dingen in Beschlag nehmen lässt und sich nur an Gott wendet, wenn er Probleme hat und wenn er sieht, dass er diese Probleme nicht selbst lösen kann, dann ist seine Hoffnung unecht und vergeblich. Die echte Hoffnung sucht in allem das Reich Gottes in der Überzeugung, dass Gott alles gibt, was zum Leben notwendig ist. Das Herz kann nicht im Frieden leben, bevor es diese Hoffnung erworben hat.
DIE GOTTESLIEBE
Er, der die vollkommene Gottesliebe erworben hat, lebt so in der Welt, als würde er nicht in ihr leben. Denn er sieht sich selbst als Fremden gegenüber dem, was er sieht, weil er geduldig das Unsichtbare erwartet… Auf Gott ausgerichtet möchte er nur Gott betrachten…
Siluan wurde 1866 in Russland geboren. Nach einer ziemlich bewegten Jugend ging er zum Athos (Griechenland), um dort als Mönch zu leben. Er starb im Jahre 1938. Kurz nach seinem Klostereintritt hatte er eine überwältigende Christuserfahrung. Er war im Innersten ergriffen von der Sanftmut und Demut Christi. Sein gesamtes weiteres Leben lang suchte er danach, wie er sich die Demut Christi mit der Gnade Gottes zu eigen machen konnte. Wie erwerbe ich die Gnade Gottes, wie behalte ich diese und wodurch verliere ich die Gnade? Tag und Nacht bat er unter Tränen um die Rettung aller Menschen.
Barmherziger,
Du hast meine Seele vom Tod der Sünde erweckt
und mir Deine Liebe zu erkennen gegeben.
Mein Herz, das von Dir gefunden wurde, wird unablässig zu Dir gezogen.
Du hast in mir die Liebe zu Dir erweckt,
Du lehrst mich, den Nächsten lieb zu haben
und Du gibst mir Tränen, so dass ich für die ganze Welt beten kann.
Herr, wie kann ich Deine Liebe vergelten?
Meine Seele verlangt nach dem Herrn und ich suche Ihn unter Tränen.
Wie könnte ich Dich nicht suchen?
Du warst es doch, der zuerst nach mir verlangte.
Du ließest mir die Glückseligkeit des Heiligen Geistes schmecken,
und meine Seele hat sich in Dich verliebt.
Du siehst, oh Herr, meinen Kummer und meine Tränen.
Hätte Deine Liebe mich nicht zu Dir gezogen,
dann würde ich Dich nicht so sehr suchen.
Denn Du offenbarst Dich mir im Heiligen Geist,
und meine Seele ist glücklich, weil Du mein Herr und mein Gott bist.
Wer Gott aufrichtig liebt, betet ohne Unterlass. Er hat die Gnade im Gebet erfahren. Es gibt zwar Kirchen, um dort zu beten, und geistliche Bücher. Aber Dein inneres Gebet begleitet Dich immer und überall…
Viele Menschen beten laut und ziehen es vor, aus Büchern zu beten. Auch ihr Gebet wird erhört. Gott erbarmt sich über alle, die beten. Doch wer beim Beten an andere Dinge denkt, den erhört der Herr nicht. Wenn Du nur aus Gewohnheit betest, ist Dein Gebet stets dasselbe. Betest Du dagegen mit innerem Feuer, dann wirkt dein Gebet ein Vielfaches: Du kämpfst gegen den Widersacher und gegen Deine Leidenschaften. Aber du musst immer tapfer sein. Frage erfahrene Menschen um Rat; bitte den Herrn um Niedrigkeit; und aufgrund deiner Demut wird der Herr dir Einsicht geben.
Selig, wer seinen Schöpfer erkannt hat und gelernt hat, Ihn lieb zu haben. In Gott findet er Frieden und Ruhe. Über alle Maßen gut und barmherzig ist der Herr. Ich schreibe über Gottes Barmherzigkeit, weil ich hoffe, dass dadurch zumindest in einer Seele die Liebe zu Gott entfacht und brennende Reue geweckt wird.
Meine geliebten Brüder und Schwestern, unter Tränen schreibe ich diese Zeilen. Oh, dass ihr doch erkennen möget, Völker der Erde, wie sehr Gott euch liebt und wie liebevoll er euch zu sich ruft: ‘Kommt alle zu Mir, Ich will euch erquicken. Ich möchte euch sowohl im Himmel als auch auf Erden erquicken, und ihr werdet meine Herrlichkeit sehen’. ‘Nun könnt ihr dies noch nicht begreifen; aber der Heilige Geist wird es euch lehren’. ‘Zögert nicht, kommt zu mir; voll Sehnsucht erwarte ich euch als meine geliebten Kinder. Ich schenke euch meinen Frieden, und ihr werdet voll Freude sein, und eure Freude wird ewig währen’.
Thomas Merton – Trappist der Abtei U.L.F. von Gethsemane in Kentucky und ein brillanter Geist – war als Dichter, Autor, Mönch und Eremit ein wichtiger geistlicher Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Ökumenisch eingestellt trat er in Dialog mit führenden Vertretern anderer Religionen. Für viele ist er bis heute ein Führer auf ihrer geistlichen Suche.
Wir dürfen nicht deshalb in die Wüste gehen, weil wir vor den Menschen flüchten wollen, sondern im Gegenteil, um zu lernen, wie wir ihnen begegnen können. Wir verlassen sie nicht, weil wir nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen, sondern, weil wir entdecken möchten, auf welche Weise wir ihnen am meisten nutzen können.
Aber dies ist natürlich nicht unsere wichtigste Absicht.
Die einzige Absicht, warum wir in die Wüste gehen, ist die Liebe zu Gott.
Wie ist es möglich, dass Menschen leben können, als ob das Alleinsein für ihr inneres Leben keinerlei Rolle spielt? Die echte Einsamkeit ist nichts, was außerhalb des Menschen liegt. Sie ist keine Situation, in der Menschen oder Geräusche fehlen. Die Einsamkeit ist ein Abgrund, der sich im Zentrum der Seele auftut. Und dieser Abgrund der inneren Einsamkeit ist ein Hunger, der niemals von irgendeinem Geschöpf gesättigt werden kann.
Die einzige Weise, auf die man Einsamkeit findet, ist der Hunger, der Durst, die Einfachheit des Geistes und eine unaufhörliche Sehnsucht. Der Mensch, der diese Einsamkeit entdeckt hat, ist leer, als ob er vom Tod selbst leergeschöpft worden wäre. Er ist am gesamten Horizont vorbeigegangen, und es ist keine einzige Richtung mehr übriggeblieben, die er einschlagen könnte. Er ist in einem Land angekommen, dessen Mittelpunkt überall zu finden ist, dessen Umriss allerdings nirgendwo. Dieses Land findet man nicht, indem man auf Reisen geht, sondern gerade, indem man dort bleibt, wo man ist. In dieser Einsamkeit vollziehen sich die wichtigsten Taten. Hier entdeckst Du, wie es möglich ist, dass du auf eine nichtaktive Weise aktiv sein kannst, wie du mit einem intensiven Vertrauen arbeiten kannst, wie Du die Übersicht in der Dunkelheit bewahrst, – und – ohne die Begierden zu befriedigen – zu einer Erfüllung gelangst, die keine Grenzen kennt.
Es muss irgendwo ein Zimmer geben oder einen Winkel, wo man nicht gefunden werden kann und wo man ungestört und unbeobachtet ist. Einen Winkel, wo man es schafft, Abstand von der Welt zu gewinnen sowie von allem, was einen Menschen bindet mit hauchdünnen Fäden oder dicken Kabeln. Fäden und Kabel, die ihn mit Augen, Ohren und Beobachtungsgabe auf die Anwesenheit von anderen fixieren.
Hast du solch einen Ort gefunden, sei dann damit zufrieden und lass dich dort nicht wegen sogenannter guter Gründe wegholen. Lerne, diesen Ort lieb zu haben und gehe dahin zurück, sooft du kannst und tausche ihn nicht schnell gegen einen anderen Ort.
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Meine Einsamkeit gehört allerdings nicht mir allein; denn ich sehe nun, wie sehr sie auch anderen gehört, und dass ich dafür Verantwortung trage. Ich bin nicht nur verantwortlich für mich selbst, sondern auch für andere. Weil ich mich mit ihnen eins fühle, bin ich ihnen gegenüber verpflichtet, allein zu sein, und wenn ich allein bin, dann sind sie nicht ‘die da’, sondern mein eigenes Selbst. Dort gibt es keine Fremden!
Es schien mir, als ob ich plötzlich die geheime Schönheit ihrer Herzen sah, die Tiefe ihrer Herzen, wo weder Begierde noch Selbsterkenntnis durchdringen können, den Kern ihres Wesens, die Person, die jeder von ihnen in Gottes Augen ist.
Hier kommt der Ausdruck ‘le point vierge’ wieder ins Spiel. Ich kann dafür keine gute Übersetzung finden. Im tiefsten Kern unseres Wesens gibt es einen Punkt des ‘Nicht-Seins’, in den Sünde und Illusion nicht durchgedrungen sind. Es ist ein Kern reiner Wahrheit, ein Funken, der ganz und gar Gott gehört und niemals zu unserer Verfügung steht. Ein Punkt, von dem aus dem Gott über unser Leben verfügt und der nicht zugänglich ist für das Spiel unseres Geistes oder die Brutalität unseres Willens.
Der kleine Kern von ‚Nicht-Sein‘, von ‚absoluter Armut’, ist die lautere Herrlichkeit Gottes in uns. Er ist sozusagen ‘Sein Name’, der in uns geschrieben steht, als unsere Armut, unsere Bedürftigkeit, unsere Abhängigkeit, unsere Kindschaft.
Er ist wie ein reiner Diamant, dessen Glut vom unsichtbaren Himmelslicht stammt. Er ist in jedem von uns anwesend. Wenn wir fähig wären, ihn zu sehen, würden wir unzählige Lichtpunkte wahrnehmen, die im Strahlen und Glühen der Sonne verschmelzen, die alle Dunkelheit und Grausamkeit des Lebens vollständig wegnehmen. Ich habe keine Methode, wie man dies erreichen kann. Es ist ein Geschenk. Doch die Pforte des Himmels ist überall.
(übersetzt nach: Thomas Merton, Een leven lang om geboren te worden. Mediteren met Thomas Merton –Henk Blommestijn en Riet Hoogerwerf. Zoetermeer, Meinema, 2001)